E-Post reloaded

Dunkel erinnere ich mich. Da war mal was. Ein Service von der Deutschen Wunderpost, wo man sich anmelden und ausweisen sollte, damit man dann ... ja was eigentlich ? Ach ja, damit man dann "sicher" einkaufen konnte. Ja genau so war das. www.e-post.de hiess dass, gefühlte 100 Jahre her (also bestenfalls 10). War der flop des Jahres, was die Deutsche Wunderpost aber nicht daran hinderte, das tote Pferd noch ins Ziel zu reiten. Ziel war damals der Verkauf an Lycos (inzwischen auch pleite), samt gesammeltem Adresspool.

10 Jahre später ist die Dummstrahlung offenbar derart intensiv und lange genug verteilt worden, dass man das nochmal versuchen muss. Nicht mal nen neuen Namen hat's gebraucht, die allgegenwärtige Amnesie wird's schon richten.

Diesmal ist's nicht sicher einkaufen. Das neue Bullshit-Bingo heisst sichere Kommunikation mit Behörden. Viel besser. Viel seriöser. Genau richtig für alle, die angesichts eines Finanzbeamten die Hacken zusammenschlagen.

Ich richte mir also ein Postfach ein, sagen wir castagir@e-post.de
Dann fahre ich vier Wochen an den Arsch der Welt, arbeiten, um die Trottel zu bezahlen.
Drei Tage nach meiner Abreise kommt per E-Post ein Knöllchen, weil ich vor der busvorranggeschalteten Ampel nach 5 Minuten die Lust verloren habe und einfach drüber gebrettert bin.
Noch nen Tag später kommt per E-Post die obligatorisch astronomische Steuervorauszahlungsmitteilung. Herzkasper kriegen und hektisch umbuchen kann ich ja nicht , wegen nicht da.
Als ich wiederkomme ist die Kiste aus, weil Netzteil verreckt. Der kleine Gott der Elektronen kichert.

Also gut, keine email, ist eh nur spam. Und ich haue tonnenweise Dreckwäsche in die Trommel und entsorge alle vertrockneten Pflanzen routinemäsig in die Biotonne. Auf dem Weg nach unten kommen mir der Gerichtsvollzieher und der Polizeiobermeister Brenner entgegen.

Der eine nimmt mir meine vertrockneten Geranien ab, der andere puhlt lässig den Führerschein aus meiner Brieftasche, während ich mit den Händen an der Wand stehe.

"Hallo Jungs, äh momang, macht mal piano, was ist denn Trumpf ?" werde ich stammeln.

Polizeiobermeister Brenner wird mich anschauen und mir mitteilen, dass die Polizeidirektion Nordbayern mir vor drei Wochen einen Füherscheinentzug wegen bei-Rot-über-Ampfel-fahren zugestellt habe. Und ich bis gestern Zeit gehabt hätte per E-Post Einspruch zu erheben. Da ich dies nicht getan hätte, käme es nun zum Hausbesuch.

Währenddessen wird der Gerichtsvollzieher zustimmend kichern, die Treppe nach oben gehen und überlegen, ob er lieber die Pornosammlung oder das Kaminholz pfänden soll, beides wäre geeignet, jedwede Steuervorauszahlung spielend zu begleichen ...

Und warum ? Weil "rechtsverbindlich zugestellt" heisst jetzt, eingegangen im Postfach. Und ab diesem Zeitpunkt die Frist läuft. Nicht gelesen ? selber schuld. Am Arsch des Universums nicht per Buschtrommel die mail geholt ? Selber schuld.

Eine mail hat mein Postfach nicht erreicht, weil der Rosa Riese mal wieder Schleifchen ins Kabel gebunden hat oder die Tippse beim Schimpansenamt statt castagir kastenbier geschrieben hat ? Ist mein Problem, weil hier bin ich plötzlich nachweispflichtig im Sinne eines "Vollbeweises". Ich muss nachweisen, dass jemand anderes geschlampt hat. Was ich bei Papier nicht muss. Kein unterschriebener Einschreibezettel ? Och, das tut mir aber leid für Sie, schicken Sie es doch nochmal. Keine Zustellurkunde ? Hach, das ist aber ungeschickt, schicken Sie es doch nochmal.

Aber das richtig geile ist, während die Lackaffen in Uniformen mich ungestraft mit Müll zuschütten dürfen, soll ich 55 cent zahlen, wenn ich drauf antworte, und zwar egal ob ich sage "ich trete aus dem Verein aus", oder "leck mich" oder "erzähl's der Parkuhr". Was sollte ich ihnen auch anderes mitteilen wollen.

Dafür darf ich, wenn ich in Hessen wohne, über diesen Dienst online Lotto spielen. Zwischen 6 und 23 Uhr, Suchtgefahr und so, denn sie denken ja mit, die Nachtwächter. Was allerdigns schwierig werden wird sobald der Gerichtsvollzieher beim nächsten mal versehentlich mein Equipment gepfändet hat.

Aber nicht alles ist schlecht. In drei Jahren wird der ganze Scheiss an 1&1 verkauft, natürlich mitsamt allen bis dahin gesammelten Adressen. Zwei Jahre später geht 1&1 dann pleite, und wir beerdigen diesen Schwachsinn für erneute 10 Jahre. Und in 15 Jahren, beim dritten Versuch, da wackle ich schon so mit dem Kopf, dass mir das scheissegal sein wird.

Mist, ich hatte da doch mal so einen Preis für die Scheissidee der Woche ins Leben gerufen. Irgendeiner der alten Preisträger muss den Kelch behalten haben, nu muss ich erst einen neuen basteln. Während ich das mache kann ich überlegen wer ihn mehr verdient, Klaus Jansen vom BDK oder die Bundesregierung stellvertretend für ihre Referenten die den Gesetzentwurf verbrochen haben. Immer diese schweren Entscheidungen. Idioten aller Länder, sprecht Euch bitte ab, nicht alle auf einmal.
Ralf (Gast) - 19. Jul, 03:28

Sag mal, du hast auch schon verdammt lange keine Post vom Gericht mehr bekommen, wah!? Das letzte mal haben sie dir die wohl mit nem berittenen Boten übersandt.
Post vom Gericht (z.B. Gerichtsvollzieher, Führerscheinentzug, usw) kommt per förmlicher Zustellung. Da kritzelt der Postbote irgend ein Datum auf den Umschlag und wirft den irgendwo hin, damit gilt der Brief als zugestellt und die Frist beginnt.

Ich kann da aus leidvoller Erfahrung sprechen. Nehmen wir mal an mein Name sei Udo Müller und ich hatte einen Verkehrsunfall. Der besoffene Anwalt der Gegenpartei kann auf dem Unfallbogen der Polizei zwar den Namen halbwegs entziffern, die Adresse jedoch nicht (da während des Gehens auf den Knien eines zittrigen Polizisten hingekritzelt). Den Ort kann er so gerade eben noch entziffern, viele Orte kamen da auch nicht in Frage. Aber der Straßenname, komplett unleserlich. Der Anwalt schnappt sich also ein Telefonbuch und sucht nach "Udo Müller". Glück gehabt, steht drin. Einmal, mit voller Anschrift. Dumm nur, dass es in diesem Ort exakt zweimal einen Udo Müller gibt. Einmal ich und dann ein anderer Udo Müller mit dem ich jedoch weder verwandt noch verschwägert oder gar bekannt bin.
Nun bekommt Udo Müller (2) vom Gericht in Bummshausen Post. Er solle zu Gericht kommen, als Angeklagter. Da Udo Müller (2) schon seit langem dem Alkohol stark zugesprochen hat und für gewöhnlich Briefe in gelben Umschlägen ignoriert, wirft Udo Müller (2) den Brief einfach weg.
Ich, Udo Müller (1), weiß gar nichts von meinem Glück bis mich der Anwalt meiner Versicherung fragt ob wir uns vor dem Gerichtstermin noch kurz treffen könnten. Da fällt man ein bissken aus allen Wolken wenn man zu Gericht eingeladen ist und von nix weiß. Wenn man dann vor Gericht den Umstand anmerkt das man nicht informiert wurde, bekommt man ein höfliches Achselzucken und den Hinweis das die förmliche Zustellung ausreichen würde.

Ähnliche Fälle gibt es wo der Postbote in völliger Überlastung einfach ein Datum auf den Umschlag geschrieben hat und den Brief erst 2 oder 3 Wochen später zugestellt hat. Ist auch egal, Frist läuft ja. Und die Frist läuft auch dann, wenn du auf den Malediven rumlungerst während der Brief in deinem Briefkasten vor sich hingammelt.

Einschreiben muss nur der gewöhnliche Bürger benutzen um seine Unschuld irgendwie zu beweisen. Der Staat muss mal gar nichts. Noch nicht einmal beweisen das Briefe ihren Empfänger erreicht haben.

castagir - 20. Jul, 04:47

Der ist nicht schlecht ...

Das letzte Urteil ? 5, 6 Jahre werden es sein, aber da war nichts mit Fristen, denn der Freistaat musste zahlen.

Wenn man selber Dreck am Hacken hat erübrigt sich die Diskussion ja so oder so.

Aber wenn nicht, muss die Wahrheit irgendwo dazwischen liegen. Denn auch ich habe schon Schriebe per förmlicher Zustellung bekommen, die innerorts angeblich 11 Tage auf der Reise waren. Und auch schon Schriebe, wo Fristen dran hingen und abliefen, während ich am Arsch des Universums war.

Da half jeweils ein Anruf beim Schimpansen, der ggf. beim Schimpansenamtsleiter endete, der die ganze Sache jeweils ruckzuck aus der Welt schaffte. Warum sollte der das tun wenn er nicht kann oder muss, ausser um einen grösseren Aufriss zu vermeiden? Weil sich selten jemand völlig sicher ist, keinen Mist gemacht zu haben, und weil man da eine Kette von Personen gegenüber hat, denen man wenn es nicht anders geht notfalls spielend mehr Arbeit bescheren kann als es ihnen wert ist.

Bei Schriftstücken scheint es auch immernoch eine gewisse Hemmschwelle gegen allzu offensichtliche Schlamperei zu geben, eben weil sie etwas einfacher nachweisbar ist, egal ob nun beim Aussteller oder bei der Zustellung - weil man noch einen _Jemand_, und damit einen Hebel hat.

Bei E-Post, wo nur noch Technik zwischen Absender und Empfänger liegt, da kann ich mit dem Fuss aufstampfen und mit Schaum vorm Maul das Kabel zur Vermittlungsstelle aufräufeln. Nur wenn der Versender des Passierscheins A38 keinen offensichtlichen Mist verzapft hat, bin ich immer der Angeschmierte. Denn dazwischen ist ein Nachweis nicht nur schwierig und evtl. mit Nachdruck zu erreichen, sondern schlicht nicht darstellbar.

Genau hier liegt der Hund begraben. Für die Behörde(n) ist es besser, für den Schützen Arsch ist es in schlechter. Deswegen finden die Jungs im Haus das Verrückte macht das ja auch so toll, weil notorische Quertreiber auf einmal keinen nachhaltigen Alarm mehr machen und damit Unruhe in den heilsamen Schlaf der Minderbegabten bringen können.

Und ganz abgesehen davon, was soll ICH (Schütze Arsch) denn für ein Interesse daran haben, schneller mit den Kaspern kommunizieren zu können ? Will ich was von denen oder die was von mir ? In 9 von 10 Fällen wollen die was von mir, meistens schwerverdientes Geld. Eine Verbesserung aus meiner Sicht wären daher die angesprochenen berittenen Boten.

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