Nachdem die Atomskriegsvorbereitungen in den Supermärkten mehr oder weniger die ganze Woche andauerten, wird heute der zum Bersten volle Kühlschrank erstmalig geleert. Schliesslich ist ja Feiertag. Und ausserdem wird es für die Hausfrau von Welt zunehmend schwieriger, die Familie, die wie Geier um den Kühlschrank kreist, zu vertreiben.
Doch halt ! Lustige Traditionen, grad mal 2000 Jahre alt, liefern ihr Munition und schränken die Menüwahl doch erheblich ein. Kein Bambi an Kotflügel und Rotkohl, auch das leckere Karnickel bleibt im Stall. Schon wieder Nudeln ? Das geht nicht. Und alles das nur wegen der Weihrauchschwenker.
Nun soll niemand sagen, die Weihrauchschwenker wären altmodisch. Immerhin haben sie sich nach 1000 Jahren soweit bewegt, das unmittelbare Verbringen des Gläubigen in die Hölle zu unterlassen, sollte er das Adventsfasten (jaha, auch das gab es mal) ausgelassen haben. Und erst 1917 haben sie es aus dem Kirchenrecht gestrichen, das heisst, es ist mittlerweile straflos. Frohlocket ! Ein Eintrag weniger auf der ewigen Liste.
Schreiben wir das fort, wird in rund 800 Jahren die nächste christliche Revolution losbrechen, die Abschaffung des fleischlosen Freitags. Führt das Fleischessen an einem normalen Freitag nur zu einem Stirnrunzeln bei der Beichte, wird ein gebeichteter Fleischgenuss am Karfreitag nicht unter 500 Rosenkränzen bestraft. Das muss so, weil das war schon immer so.
Mag ja sein dass es damals, am Arsch des Universums, echt blöd war, an diesem Tag kein Fleisch essen zu dürfen, mit Seen und Teichen hatten sie es in der Wüste ja noch nie so sehr. Heute ist es himmelschreiender Unfug. Selbst wenn die Hausfrauenparade vor der Nordsee einen verschrecken sollte, der BoForst-Mann fährt überall hin, wo es asphaltierte Strassen gibt, und auch der Teichwirt drei Käffer weiter ist immer für einen Zwanziger cash zu haben und liefert fangfrische Forellen, Waller oder Karpfen frei Haus, vermutlich auf dem Weg zur Dorfkirche, oder von dort in die Dorfkneipe.
Aber gut. Wenn es denn hilft, kein Fleisch. So ein Zanderfilet ist ja auch ganz schauderhaft. Aber wer bin ich, das ich den Kreuzfahrernjüngern widersprechen wollte. Kasteien wir uns. Ich werde also mein Fastengericht in Demut verzehren in der Hoffnung, dass der Pfarrer sich damit begnügt, weitere kleine Nadeln in seine castagir-Puppe zu stecken. Wenn er noch Platz findet.
Auf Wiedersehen Bambi, see you tomorrow. Hallejuha.
castagir - 21. Mär, 18:11
China hat vor 58 Jahren ein Land annektiert. 58 Jahre später schlägt die chinesische Regierung einen Aufstand in einer Provinz nieder. Sie machen das nicht auf die deutsche Art, diskutieren das also nicht aus, bilden auch keine sich alle zwei Wochen treffende Kommission, sie beenden das einfach. Und die Intellektuellen der Welt schreien auf. "Boykottiert Olympia" schallt es von Seiten der Berufsbetroffenen durch den Blätterwald.
Nun haben wir ja gesehen, Olympiaboykotte sind halt doch relativ selten, und stehen so alle 30 Jahre mal zu Debatte. Das ist doch hochgradig unprofessionell !
Ihr solltet viel öfter um Euch boykottieren. Dann seid Ihr wenigstens von der Strasse weg, gut aufgehoben, und habt was zu tun. Damit Ihr nicht warten müsst, bis der erste Gelehrte sich aus der Deckung wagt, dem Ihr dann lemmingmässig folgen könnt, hier mal eine unvollständige Liste von Events, die Ihr dieses Jahr ganz dringend boykottieren solltet.
23.3. Grand Prix von Malaysia
1969 gab es Rassenunruhen. Ausserdem ist es eine beschissene Uhrzeit für Fernsehübertragungen.
6.4. Grand Prix von Bahrain
Erst 2001 hat der König seine absolutistische Macht aufgegeben und dem Land erste demokratische Ansätze gegeben. Davor hat er geherrscht wie ein Gott. Naja, Frauen dürfen da noch immer nicht Auto fahren. Nicht alles ist schlecht, aber boykottieren muss schon sein.
27.4. Grand Prix von Spanien
Die Jungs haben damals halb Südamerika entvölkert. Und 1939 bis in die 70er hat Franko eine grausame Säuberung der im vorangegangenen Bürgerkrieg Unterlegenen durchgeführt. Da kann es gar keine Diskussion geben, das wird boykottiert. La Sagrada Familia und Gaudi werden sowieso überschätzt, kann man sich schliesslich auch auf Bildern angucken.
11.5. Grand Prix der Türkei
Was muss man dazu noch sagen ? Die Jungs, die Döner und Baklava können, haben hier eh schon alle eine Imbissbude, nen 3er, und die Familie hergeholt, also warum sollte man da hin müssen ? Seit 1923 unterdrücken Sie die Kurden, haben ihnen über Jahrzehnte hinweg sogar ihre eigene Sprache verboten. Wir können sie ja stattdessen in die EU aufnehmen, aber das Rennen wird boykottiert.
25.5. Grand Prix von Monaco
Wenn schon in Liechtenstein kein boykottierbarer Grand Prix stattfindet, dann muss man alternativ wenigstens den im anderen Land der Steuerflüchtlinge boykottieren. Man darf ja nicht so eingeschränkt sein und immer nur dann boykottieren, wenn Menschenrechte in Gefahr sind, man muss das auch mal aus rein finanzpolitischer Sicht tun.
8.6. Grand Prix von Kanada
Die fanden es cool, zur Zeit der Judenverfolgung, als zigtausende vom Mord bedrohte Menschen auswandern wollten, niemanden aufzunehmen. Also ich meine gerade wir hierzulande sind moralisch eigentlich verpflichtet, da zu boykottieren.
22.6. Grand Prix von Frankreich
Die essen Froschschenkel. Das ist zwar nach deutschem Recht nur Sachbeschädigung, aber trotzdem.
6.7. Grand Prix von Grossbritannien
Wollte man die Verbrechen dieses Staatsgebildes aufzählen, bräuchte man eine Enzyklopädie. Und selbst in der Neuzeit immernoch ein Buch. Ausserdem können sie nicht kochen, die Queen ist unabsteigbar und sie haben den hässlichsten Thronfolger der Welt. Nachdem das Wetter sowieso mies ist, fällt das Boykottieren nicht gar so schwer.
20.7 Grand Prix von Deutschland
Mal ehrlich, schon allein aus historischer Schuld müssen wir eigentlich dieser Veranstaltung fernbleiben.
3.8. Grand Prix von Ungarn
Die Kollaborationsregierung hat es geschafft, von 44 bis zum Kriegsende noch 400.000 Juden umzubringen. Das ist erst knapp 70 Jahre her, dafür müssen sie büssen. Ausserdem machen sie einen Rotwein, von dem ich immer tierische Kopfschmerzen kriege. Ich fordere Solidarität.
24.8. Grand Prix von Europa
Die Hälfte der wichtigen Staaten dieses lustigen Gebildes boykottieren wir ja nun ohnehin schon. Der Rest ist Schwund. Ausserdem findet der Grand Prix in Valencia statt, das zur Achse des Bösen gehört.
7.9. Grand Prix von Belgien
Kolonialmacht sein, Kinder schänden, Essig auf die Pommes geben und bis 62 die Flamen unterdrücken, also bitte.
14.9. Grand Prix von Italien
Irgendwann nach 36 hat Benito Äthiopien überfallen und über eine halbe Million Einwohner umbringen lassen. Das kann man auch mit der besten Pizza nicht wett machen. Ihre Autos rosten schon im Katalog und sie haben die WM gewonnen. Und jedes Mal muss ich nachsehen, wer grad Regierungschef ist, ändert sich ja alle zwei Wochen.
28.9. Grand Prix von Singapur
64 gab es inländische Unruhen, die blutig niedergeschlagen wurden. Zensur, Rauchverbot. Prügelstrafe als Mittel der staatlichen Sanktion, langt das nicht, gibts auch heute noch die Todesstrafe. Bis vor wenigen Jahren war der Verkauf von Kaugummis unter Strafe gestellt.
12.10. Grand Prix von Japan
Nur Zweiter geworden im letzten Krieg. Hat in China (sic!) beispiellose Massaker angerichtet. Grenzt heute noch Minderheiten aus, wenn sie nicht den buddhistischen Berufsbildern entsprechen. Ihre Schrift kann keine Sau lesen. Ausserdem hat man ein übles Jetlag in den Knochen, wenn man da hin fliegt. Also ausgeschieden.
19.10. Grand Prix von China
Ja, was soll ich sagen ? Wenn wir die Olympiade boykottieren, können wir ja nicht gut hingehen und zusehen, wie sie da im Kreis rumfahren.
2.11. Grand Prix von Brasilien
68 hat die Militärdiktatur aufständige Studenten niedergeknüppelt. Den einheimischen Indios können sie nichts mehr antun, die sind so gut wie ausgerottet. Spielen viel zu gut Fussball und die Frauen sind unverschämt gutaussehend.
Schade, dass wir den Grand Prix der USA nicht boykottieren können, die cleveren Amis haben ihn in weiser Voraussicht selber abgesagt. Den Grand Prix von Australien haben hoffentlich ohnehin alle aufrecht stehenden Oberlehrer boykottiert. Was die mit den Ureinwohnern damals gemacht haben, das ist ja schlimm. Und die Proteste der paar noch lebenden Aborigines haben sie bei der 200-Jahr-Feier vor vier Jahren auch keinen Deut geschert. Ausserdem besteht die Bevölkerungshistorie aus verbannten englischen Verbrechern.
Wenn Ihr Euch daran haltet, habt ihr neben deutlich geringeren Reisekosten auch 18 Sonntage mehr frei, und seid Montags nicht so unausgeschlafen. Und das ist doch eigentlich zu befürworten. Man darf ja neben einem ab Geburt belasteten Gewissen auch einen Vorteil davon haben, trotzig mit dem Fuss aufzustampfen, wie verlogen es auch immer sein mag.
castagir - 16. Mär, 08:01
Neue Woche, neue Sitten. Senile Bettflucht um halb sieben ist nicht mehr. Viel zu müde dafür. Ist auch kein Wunder, denn er ist wieder da, Popeye, der kleine Kobold.
Irgendwas weckt mich dieser Tage pünktlich gegen 02:30. Ich hatte Petrus im Verdacht. Immerhin hat der Anfang der Woche dafür gesorgt, dass die Terrassenmöbel nicht mehr einfach so rumstehen, sondern sich in einer Ecke zusammenkuscheln. Und dass ich in meinem Bett fast ertrunken wäre, weil das Fenster gekippt war und es auf mich drauf geregnet hat. Aber er war es nicht. Jedenfalls nicht allein, das war Teamarbeit.
Vorgestern hat mein kleiner dunkelbrauner Freund sich an mich erinnert. Er war auf Tournee. Nachdem er im Winter vor zwei Jahren meine Polster der Sonnenliege aufgefressen und sich im Sessel ein kuscheliges Nest aus Schaumstoffflocken gebaut hatte, stand er gestern nacht fiepend und irgendwie unzufrieden wirkend auf der Terrasse. Die Unordnung hat ihm vermutlich auch nicht gefallen.
Wir sahen uns tief in die Augen, er in blaue, halboffen und müde wirkende, ich in grüne, kugelrunde und extrem wach wirkende.
Und während ich noch überlegte wie ich ihn los werde, fiel ihm wohl sein früheres Winterquartier ein, mein Dach, zwischen Dämmung und Ziegeln.
Wie ein geölter Blitz sauste er auf die Terrassenbrüstung, um seinen alten Weg nach oben aufs runtergezogene Dach zu nehmen. Dass er mich dabei lässig ausbremsen würde war klar. Aber Petrus nicht. Der hatte soviel Wasser abgeladen, dass der kleine Kobold auf der Kupferumrandung ausrutschte und ein Vollbad in der grossen Regenrinne nahm. In der ersten Reihe hinter der Terrassentür sitzend konnte ich sein missbilligendes Gesicht genau sehen. Es sagte *hey Arschloch, hol gefälligst jemanden, der das Regenfallrohr frei macht, ich werde hier nass!*. Mein hämisches Grinsen ignorierend tobte er die Schräge rauf. Im Gegensatz zu früher hörte sich das allerdings eher an, als würde ein komplettes SEK sich auf mein Dach abseilen, vorbei die Zeit der kleinen, flinken Schritte. Ja, er ist fett geworden, mein Kobold.
Oben im Giebel hörte ich es dann rumoren. Vermutlich hat Popeye versucht, sich zwischen den Dachziegeln durchzuzwängen und sass strampelnd eine Weile fest. Aber irgendwann war er dann idrinnen. Bei einem offenen Giebel kann man das gut hören. Immerhin ist Popeye noch nicht so fett, dass die Rigipsplatten der Deckenverkleidung sich durchbiegen.
Ich meinte, ein ganz leises Kichern zu hören. Da dachte ich noch, er hätte die nicht tödlichen, aber angeblich wirksamen Köder des Jägers gefressen und würde nun im Delirium seltsame Geräusche von sich geben. Heute nacht war dann klar, ich habe mich getäuscht. Er hat die Köder gefunden und uns ausgelacht. Den Geräuschen nach baut er gerade an einer Bowlingbahn. Die Eröffnung könnte heute oder morgen sein.
Welcome back Popeye, mein gar nicht mehr so kleiner Marder. Immerhin bist Du mittlerweile vermutlich zu fett, um in meinen Motorraum zu passen. Vielleicht lege ich Dir die Zündkabel von 2006 auf die Terrasse. Die hast Du damals nämlich nur zur Hälfte aufgefressen. Und zwei Zylinder davon sind noch wie neu.
castagir - 13. Mär, 20:41
Seit zwei Wochen frage ich mich, wieso ich an Wochentagen zu an sich nachtschlafender Zeit wach im Bett liege und eine sportliche Übung daraus mache, den lärmenden Wecker 0,01 Sekunde nachdem er sein Werk begonnen hat, auszudreschen.
Seit zwei Wochenenden frage ich mich, wieso ich noch früher als unter der Woche wach werde und bis zu der Zeit, wo ich mich normalerweise aus dem Bett wälzen würde, schon alles erledigt habe, was für den ganzen Tag anliegt. castagir morgens um halb sieben beim Blumengiessen, das ist kein schönes Bild, und es ist schon gar keins, dass castagir von sich haben möchte.
Ich dachte es läge daran, dass es mittlerweile früher hell wird.
Seit eben aber weiss ich es besser. Es ist der infernalische Lärm, den die gefiederten Freunde in den Bäumen und Büschen verursachen. Sie haben offenbar einen Wettkampf laufen gegen die Kichenturmglocken vom 1.FC. Sündenfall, mit denen die schwerhörigen Schäfchen zur Messe gebimmelt werden. Bei offener Terrassentür ist das eine zwölftonige
Kakophonie in Schiss-Dur, völlig ohne jeden Rhythmus. Der Ausgang ist im Moment offen, allerdings haben die Brathühner vermutlich mehr Energie, als der Glöckner Kraft in den Armen. Liegt vermutlich an dem
milden inexistenten Winter.
Kein Wunder, dass mir um elf abends der Kopf vor Müdigkeit auf die Tischplatte knallt.
Neubert. Der Name begleitet mich, seit ich über die Kante des Esstischs schauen kann. Schon vor mehr als 30 Jahren bin ich, während meine Eltern irgendeine piefige Sofagarnitur oder ein neues Esszimmer auswählten, in dem mir damals riesengross wirkenden Laden auf Entdeckungsreise gegangen und habe die Verkäuferinnen abwechselnd in den Herzinfarkt oder den Blutrausch getrieben. Manchmal beschleicht mich der Verdacht, der Geburtenknick in den 70ern könnte massgeblich von mir verschuldet sein.
Mit den Rabauken wachsen auch die Läden. Der Neubert ist auch 35 Jahre später ein Halbtagesprogramm. Heute früh um neun war es mal wieder so weit, castagir in der Porzellanabteilung. Zielsicher in seinem Geschmack, steht er vor der teuersten aller Vitrinen, wie könnte es auch anders sein und jongliert Teller, Tassen, Schälchen.
Dorothea Henkel, Porzellanfachverkäuferin mit 200 Jahren Berufserfahrung, setzt ihre Brille auf, die an einer Goldkette hängend vor ihrem Busen baumelt und taxiert castagir. Auf ihrer Stirn blinkt eine Laufschrift. *Aha. Alleinstehender Mann, bestimmt keine Ahnung, braucht vermutlich einen Teller, den er dann eine Woche lang benutzt.*
"Guten Tag, kann ich Ihnen behilflich sein ?" säuselt es in castagirs Ohr, während Dorothea ihm behutsam die 300 Euro teure Teekanne aus den Händen windet und wieder ins Regal stellt.
"Hallihallo. Yup, ich brauch' ein paar Tassen" antwortet castagir flapsig und fädelt mit den nun wieder freien Händen die ganz hinten stehende Suppenterrine an einem wunderschön dekorierten Gedeck Tellerchen und Gläsern vorbei aus dem Regal. "Ich glaub', das da gefällt mir." Dorothea wird nervös.
"Sie haben Geschmack!"
"Ich weiss."
"Ist es denn für jeden Tag oder mehr so für Feiern und Einladungen ?"
"Also, ich will kein Sonntagsgeschirr haben, sondern eins, dass ich benutzen kann."
"Ah. Nunja. Wir hätten da vorne ganz tolle Komplettservices im Angebot, " flötet es erneut von der Seite, während sie in eine beliebige Himmelsrichtung zeigt, wo 100 Meter Luftlinie weiter Berge an Blümchendekors gestapelt sind.
castagir schaut an sich herunter, ob er heute die Hose vergessen hat oder sonst irgendwie besonders schlampig aussieht.
Als Dorothea ebenso genauso behutsam wie vorhin die Terrine aus castagirs Händen zieht und abstellt, und sich umdreht um vor ihm her in die Abteilung mit dem Porzellan für den Polterabend zu gehen, zieht castagir flink die Teekanne erneut aus dem Regal und nimmt sie mit. Er hat Zeit, und will Spass haben.
Einen knapp viertelstündigen Fussmarsch später stehen die beiden in der Abteilung mit den Scherben.
"Sehen Sie, hier gibt es ein wunderschönes Service für zwölf Personen, alles dabei, fast genau so schön wie das, was Sie gerade angeschaut haben !"
Ihr Blick gefriert, als castagir die sauteure Teekanne daneben abstellt und mault: "Na, das passt aber gar nicht so toll zusammen. Haben Sie nicht was, das besser dazu passen könnte ? Das da hat einen hellblauen Rand, und Blümchen, auch wenn sie noch so zart und klein sind, das geht doch nicht. "
Dorothea blickt über die Stapel an Poltergeschirr suchend um sich.
"Ah ! Sie möchten ein reinweisses Service, kommen Sie !" verkündet sie triumphierend und versucht, die Teekanne an sich zu reissen, aber castagir ist schneller.
"Das is doch nicht weiss, vergleichen Sie doch mal!" mault castagir, und stellt die brilliantweisse Teekanne auf einen Stapel Teller, dem man seine windschiefen Bauteile direkt ansieht, weil die Abstände zwischen den Tellerrändern unterschiedlich sind. Vermutlich C-Qualität und von einem zugekifften Vietnamesen bei Vollmond zusammengemanscht.
"Äh naja, das ist natürlich nicht so eine hochwertige Glasur wie bei dem, das Sie im Auge haben, dafür ist es aber auch bei weitem günstiger. Aber ich hätte da noch ein Service, das Ihnen vielleicht eher ..."
castagir beugt sich vor und liest aufmerksam Dorotheas Namensschildchen.
"Also, Frau ... Henkel, wir können meinetwegen den halben Tag durch diesen Laden schleichen und irgendwas suchen, von dem Sie denken, dass ich es mir leisten kann. Wir könnten aber auch einfach dahin zurückgehen, wo wir herkommen und ich mache Ihnen dann eine Liste, was ich alles haben will. Was ist Ihnen denn lieber ?"
Und während castagir sich schon halb umdreht um den Rückmarsch in die Porzellanabteilung anzutreten, fügt er hinzu: "Und ja, ich weiss, dass diese Teekanne hier in meiner Hand 327 Euro kostet. Und ich weiss auch, dass die Frühstücksteller vermutlich mehr als zwei Euro das Stück kosten werden."
Dorothea ist wie ausgewechselt, ihre gesamte Berufserfahrung bricht sich schlagartig Bahn. "Achso, Sie möchten tatsächlich ein so hochwertiges Geschirr haben, Verzeihung, das hatte ich nicht erwartet."
castagir lächelt sie an und erklärt: "Frau Henkel, Sie haben mich dort vor der Vitrine aufgegabelt. Ich stand da allerdings nicht, weil ich mich verlaufen hatte. Geh'n wir ?"
Auf dem Rückmarsch gabelt Dorothea eine weitere Kollegin auf, der sich noch eine beturnschuhte Azubine anschliesst. Schliesslich marschieren sie in halber Kompaniestärke zurück.
"Also" erklärt castagir, "damit hier nicht noch mal Missverständnisse aufkommen, ich will genau dieses Service haben, ich will kein anderes, ich will auch kein billigeres, ich will dieses. Das Einzige was wir noch klären müssen, welches der vier verfügbaren Dekore mir am besten gefällt," und schaut auffordernd in die Runde.
Dorothea lässt ihre ganze Porzellanabteilungsleiterinnenkomptenz spielen. "Edith, Gina, räumt doch mal den Tisch da frei, dann stellen wir Ihnen, Herr castagir, die vier Varianten schnell zusammen. Möchten Sie sich vielleicht ein paar Minuten umsehen, das dauert nur ein paar Momente."
castagir möchte. Während Dorothea, Edit und Gina ein mühsam dekoriertes sturzhässliches Hutschenreuther abdecken um den tischtennisplattengrossen Esstisch frei zu machen, geht castagir in die Besteckabteilung, denn seinen nächsten Anschlag hat er dort geplant.
Er stellt sich mitten in die WMF-Abteilung, bemüht sich möglichst hilflos zu wirken und setzt sein schönstes Landeigesicht auf. Und es funktioniert erneut. Binnen 30 Sekunden steht ein weiteres Muttertier vor ihm und flötet ihn auf bekannte Weise an.
castagir erklärt ihr, dass er seit einem Jahr genau jenes Besteck dort sein Eigen nennt, und noch ein paar Teelöffel haben möchte.
Die Löffelfachverkäuferin ist clever. "Oh, da muss ich nachsehen, ob man das einzeln nachkaufen kann. Haben Sie noch etwas, das Sie sich in der Zwischenzeit ansehen möchten ?" fragt sie freundlich. castagir möchte und verabredet mit ihr einen Termin in der Porzellanabteilung in einer Viertelstunde, sie solle einfach nur nach Dorothea, Edit und Gina suchen, er sei dann nicht weit, und macht sich auf die Glasabteilung.
Eigentlich hatte er vor, dort ein wenig gehbehindert aufzutreten und ab und zu einen erratischen Schritt zur Seite zu machen. Aber er befand, er habe an sich schon Spass genug für einen Vormittag gehabt. Die gleiche Haltung, der gleiche Blick, das nächste Muttertier.
"Kann ich Ihnen helfen ?"
"Au ja bitte, ich brauch' ein paar Gläser."
"Was für welche hätten Sie denn gerne?"
"Naja, primär solche, wo man draus trinken kann, nee Spass, ich suche ein paar schöne Weingläser."
"Haben Sie an etwas bestimmtes gedacht ?"
*Haben Sie an etwas bestimmtes gedacht?* hält castagir hingegen für eine der dämlichsten Fragen, die ein Verkäufer einem Kunden stellen kann. Hätte castagir an etwas bestimmtes gedacht, dann hätte er sich nicht wie ein hingeschissenes Fragezeichen mitten in der Abteilung aufgebaut und suchend um sich geblickt.
"Nein, ich weiss noch nicht genau, was ich möchte, ausserdem muss es zu dem Service passen, dass ich mir ausgesucht habe."
"Aha, und welches Service haben Sie ausgewählt ?"
"Naja, das da hinten, das weisse da." verkündet castagir und wedelt unbestimmt in die Richtung der Vitrinen. "Sie haben hier aber viele schöne Gläser, und bestimmt passen nicht alle dazu, da wird es schwer, sich zu entscheiden." meint er und schaut die Glasfachverkäuferin auffordernd an. Bei dieser macht es zehn Sekunden später *click*
"Ich könnte Ihnen ja einige Gläser in die Porzellanabteilung bringen, dann könnten wir sie neben ein Gedeck stellen ?"
"Au ja, das ist eine tolle Idee. Das da, die Serie da, und vielleicht auch noch diese hier. Da hinten, wo Dorothea, Edith und Gina sind, da sind Sie richtig, ich schau mich noch ein wenig um" meint castagir.
Zehn Minuten später schlägt castagir in der Porzellanabteilung auf, wo die Damen inzwischen ganze Arbeit geleistet haben.
"Wunderschön!" lobt er die anwesenden Damen, "das haben Sie ja fantastisch hinbekommen!" Stolzes Strahlen um ihn herum. Doris, die Besteckfachverkäuferin deutet auf die Löffelchen, die sie einzeln auf den Teeuntertellern abgelegt hat. castagir strahlt zurück und beginnt, den Tisch genau zu untersuchen.
Kaum hat er ein "Na, das da ist aber nicht so schön" fertig gemurmelt, verschwindet Dekor Nummer eins vom Tisch, während Dorothea geschäftig neben castagir her um den Tisch wandert. Bückt er sich, bückt sie sich ebenso.
Edith, Gina und die unbekannte Löffelverkäuferin sortieren das abgeräumte Zeug zurück in die Auslage, als Doris, die Glasfachverkäuferin, im Schlepptau eine weitere Azubine, angerannt kommt. Sie hätte besser einen zehnarmigen Oktopus als Azubine haben sollen, so viele Gläser balancieren die beiden. Gerade als sie eine Glasserie kulinarisch korrekt vor Dekor zwei aufbauen wollen, zieht Edith es vom Tisch, die Gläser stehen alleine da. Doris und Edith schauen sich ernst an, während castagir lächelnd bemerkt "Das Dekor da ist schon ausgeschieden, war wohl ein Missverständnis", und die aufkeimende Spannung aus der Veranstaltung nimmt.
Begleitet von mittlerweile sechs Verkäuferinnen trifft castagir schliesslich seine Wahl. "Das da isses" verkündet er. "Die Gläser da hätte ich gern dazu, und natürlich die Löffelchen" fügt er hinzu, woraufhin Doris und die unbekannte Löffelfachverkäuferin freudestrahlend die restliche halbe Tonne Glas wieder einsammeln. Applaus liegt in der Luft als Dorothea verkündet, castagir habe eine exzellente Wahl getroffen.
Gefolgt vom vollständigen Tross an bepackten Fachverkäuferinnen und Azubinen marschiert castagir in Richtung der Porzellanabteilungshaupttheke. Dort warten seit rund einer halben Stunde mittlerweile knapp 10 weitere Kunden und fragen sich vermutlich, ob der Laden überhaupt schon auf hat. Aber sie haben sich zu früh gefreut, denn die ganze Truppe beginnt nun, das Porzellan der Wahl epileptikersicher zu verpacken, während Dorothea für castagir gern noch den halben Katalog des Herstellers kopiert, damit er auch sämtliche Zubehörteile kennt, die man leider nicht in der Ausstellung habe.
Auf dem Weg zur Kasse beginnt sich die Versammlung aufzulösen, nur noch zwei Damen im Schlepptau gelangt castagir an seinen knapp 2 Meter langen Kassenzettel.
Am Auto angekommen stellt castagir erneut fest, dass dieses bei weitem zu klein ist für eine Person.
Daheim angekommen stellt er fest dass es eine Scheissidee ist, im zweiten Stock zu wohnen.
Als er zum dritten mal mit einem Berg von Einwickelpapier zur Papiertonne geht stellt er fest, dass ein Kubikmeter Inhalt gar nicht so viel ist, wie er immer gedacht hatte.
Bis Mitte nächster Woche ist er nicht erreichbar. Denn auf jedem der Teile klebt ein Etikett. Eines, das sich wunderbar abziehen liesse, wäre es nicht an jeder Seite zweimal eingeschnitten, so dass jedes Etikett quasi aus neun Einzelteilen besteht.
- Den rotglühenden Beta entschärft und die Zünder rausgebaut.
- Alpha abgeklemmt.
- Auf die Frage was damit geschehen soll, "Bepflanzen ?" vorgeschlagen.
- Wäre geschehen, hätte Bitkönig 2 nicht "Macht einen Hasenstall draus" vorgeschlagen.
- Alpha2 angeklemmt.
- Endlosen dumps beim Einlesen zugeschaut.
- In der Zwischenzeit aus Langeweile die bislang unbewiesene
Keplersche Vermutung unter Zuhilfename einer Familienpackung Mozartkugeln gelöst. Es existierte ein gewisser Zeitdruck weil Bitkönig2 laufend das Experimentiermaterial dezimiert hat.
- Den besten Elektriker der Welt daran gehindert, parallel "schnell mal was am Netzwerk zu machen". Wieder zuwenig Snickers dabei gehabt.
- Alphas Schicksal bleibt weiterhin ungeklärt.
- Vor Mitternacht zuhause gewesen.
- Ohne hinter einem Schwertransporter her zu gondeln.
- Pläne B und C nicht gebraucht.
castagir - 26. Feb, 23:43
Entrümpeln im Hirn funktioniert nicht wie gewünscht. Habe mir beim kontemplativen Bügeln, während ich an eine besonders widerliche Baustelle dachte, das Bügeleisen quer über die linke Hand gefahren. Und während ich ein anderes Projekt überdachte und überlegte, wie ich es am besten loswerden kann, versehentlich einen Dampfstoss statt an den Hemdkragen gegen den Bauch gesetzt. Beschlossen, dies als Omen und richtungsweisend zu nehmen.
Aber das kann ja nicht der Weg sein. Auf diese Tour bin ich vollends verstümmelt, bis ich vom grossen Orakel Antworten auf alle akut offenen Fragen bekommen habe.
Daraufhin kleine Zettel beschriftet und an die Dartscheibe gehängt. Was ich treffe, wird abgelegt, abgeschafft, abgewürgt.
Habe zwei Vasen und ein Thermometer erlegt. Der Plüsch-Papagei sitzt seit mehreren Stunden verstört auf der Anrichte. Bin nach wie vor unzufrieden mit dem Ergebnis.
castagir - 24. Feb, 00:36